Für einen fairen Zugang zur Kindertagesbetreuung für benachteiligte Kinder

  • Beitrags-Kategorie:Antrag
Kinder im Kindergarten auf einer Bank

STATUS

beschlossen

Die Förderung von qualitativ hochwertiger und inklusiver frühkindlicher Bildung in Kindertageseinrichtungen und Kinderkrippen ist ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen soziale Ungleichheit. Vor allem Kinder aus benachteiligten Familien, wie solchen mit armutsbetroffenen Eltern, niedrigen Bildungsabschlüssen und Migrationshintergrund, profitieren besonders von einem Besuch in einer solchen Einrichtung. Eine gute frühkindliche Bildung fördert nicht nur die Sprachentwicklung, sondern auch die Lernkompetenzen und erleichtert somit den Übergang in die schulische Bildung. Trotz dieser Vorteile besuchen Kinder aus benachteiligten Familien Kindertageseinrichtungen seltener als Kinder aus nicht-benachteiligten Familien.

Das liegt, anders als früher angenommen, nicht daran, dass deren Eltern ihre Kinder nicht in die Kita schicken möchten (subjektiver Betreuungsbedarf), sondern in strukturellen Barrieren wie Informationsdefiziten oder mangelnder Aufklärung über die Vorteile frühkindlicher Bildung begründet[1]. Der Einfluss von Armut ist durch mögliche Beitragsbefreiungen gesunken, schlägt sich aber weiterhin im mangelnden Wissen um Unterstützungsmöglichkeiten oder Schwierigkeiten in ihrer Beantragung nieder.

Das 2021 beschlossene Bildungskonzept der Stadt Halle sieht eine Verbesserung der deutlich geringeren Betreuungsquote von Kindern mit Migrationshintergrund (2019: 54 % im Vergleich zu 71 % im stadtweiten Durchschnitt) vor. Bis 2028 soll die Betreuungsquote auf 80 % erhöht werden. Hierzu solle die niedrigschwellige Information und Beratung von nicht-deutschsprachigen Eltern verbessert werden. Insbesondere die Beratung und Öffentlichkeitsarbeit zu Vorteilen frühkindlicher Bildung wird als Lücke identifiziert. Im Bildungskonzept werden jedoch nur punktuelle Handlungsempfehlungen für diese breit definierte Maßnahme gegeben. Laut der Berichterstattung zum Bildungskonzept[2], bestehen Unterstützungsangebote für Träger von Kitas. Diese würden bisher jedoch nicht wahrgenommen. In Antwort auf eine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN[3] verweist die Stadtverwaltung darauf, dass keine Bedarfsäußerungen der Kindertageseinrichtungen vorlägen und mehrsprachiges Informationsmaterial zur Anmeldung bereits im Umlauf sei.

Das bloße Vorhandensein von Informations- und Beratungsmöglichkeiten ist aus unserer Sicht jedoch nicht ausreichend. Vielmehr sollte beispielsweise über die Ansprache und Sensibilisierung konventioneller Akteure (Religionsgemeinschaften, Kulturvereine o.Ä.) und unkonventioneller Akteure (Einzelhändler, Dienstleistungsbetriebe etc.) die lokale Gemeinschaft stärker in die Informationsverbreitung eingebunden werden. Auch ließen sich konkrete Ereignisse (z. B. Sprachkurse) als Anknüpfungspunkte für eine diesbezügliche Direktansprache nutzen. Daneben kann die für 2023 geplante Einführung des Kita-Portals (hier findet Ihr unseren maßgeblichen Antrag dazu) ein zentraler Baustein zur Steigerung der Betreuungsquoten sein. Um dieses Potenzial zu nutzen, sollte das Portal von Beginn an in allen verbreiteten Alltagssprachen der Stadt Halle und in Leichter Sprache zur Verfügung stehen. Weitere Maßnahmen könnten beispielsweise gezielte Aufklärung zur gesteigerten multikulturellen Kompetenz bestimmter Einrichtungen beinhalten, denn noch immer haben gerade migrantische Eltern Bedenken bezüglich der Qualität der Kinderbetreuung.

Wir fordern insgesamt konkretere Anstrengungen zur Erreichung des ambitionierten Ziels einer Betreuungsquote von Kindern mit Migrationshintergrund in Höhe von 80 % bis 2028 sowie zur Verbesserung der Betreuungsquoten von Kindern aus anderweitig benachteiligten Familien. Zentral hierfür ist es, Informationen und Angebote nicht nur bereitzustellen, sondern gezielt zu bisher nicht erreichten Gruppen zu bringen. Der Bildungsbericht Frühkindliche Bildung bietet mit der Identifikation der wesentlichen Teilhabebarrieren eine gute Grundlage für die Erarbeitung eines Maßnahmenplans, der die breite Zielstellung des Bildungskonzepts in weitere, proaktive Schritte übersetzt. Dabei lässt sich dann auch klären, wie man die gesamtstädtischen Ziele und die fehlenden Bedarfsäußerungen der Kindertageseinrichtungen zusammenbringen kann.

Diese Initiative auf dem Bürgerinfoportal der Stadt Halle (Saale) einsehen

[1] Schmitz, Spiess, Huebener (2023): Weiterhin Ungleichheiten bei der Kita-Nutzung, in: Bevölkerungsforschung Aktuell Nr. 2/2023, verfügbar unter: https://www.bib.bund.de/DE/Aktuelles/2023/2023-03-10-Bev-Aktuell-Weiterhin-Ungleichheiten-bei-der-Kita-Nutzung.html

[2] Informations-Vorlage VII/2022/04647, verfügbar unter: http://buergerinfo.halle.de/vo0050.asp?__kvonr=20897

[3] Anfrage VII/2022/04854, verfügbar unter: http://buergerinfo.halle.de/vo0050.asp?__kvonr=21104

UPDATE

Der Beschluss sah eine Vorlage des Maßnahmenplanes bis zum Jahresende 2023 vor. In der Sitzung des Jugendhilfeausschusses vom 30. November informierte die Verwaltung über den aktuellen Stand:

“[…] Um […] konkrete Maßnahmen für einen fairen Zugang zu Kindertageseinrichtungen ableiten zu können, werden mit dem Träger AWO SPI im Projekt „Fairer Zugang zu Kindertagesbetreuung für alle!“ seit Oktober 2023 im ISEK-Teilgebiet Halle-Neustadt Unterstützungsinstrumente für einen fairen Zugang zur Kindertagesbetreuung für benachteiligte Kinder entwickelt, um diese zu erproben. Daraus sollen zukünftig stadtweite Maßnahmen abgleitet werden, welche auf die weiteren halleschen Stadtteile übertragbar sind. Der Träger erfasst hierzu im Projekt in den Jahren 2023 und 2024 die jeweiligen Bedarfe […] und entwickelt dazu in einer fortlaufenden Monitoring- und Entwicklungsarbeit Handlungsempfehlungen für die Stadt Halle (Saale). Aus den Ergebnissen wird der Maßnahmenkatalog […] entstehen. Ziel ist es, diesen bis zum Jahresende 2024 final vorzustellen.”

Damit setzt die Verwaltung unseren Beschluss zwar nicht im Wortsinn termingerecht um, kommt aber unserem Ansinnen mit konkreten Maßnahmen nach. Wir werden die weitere Umsetzung eng begleiten, um sicherzustellen, dass am Ende tatsächlich eine Verbesserung für die benachteiligten Kinder unserer Stadt steht.